Vom Ende eines öffentlichen Rituals

Seit fast 3 Jahren pflegen meine Frau und ich das Ritual, dass wir das Wochenende mit einem Kuchen am Freitag Nachmittag beginnen. Nach ca. einem halben Jahr, kam ich auf die Idee, hiervon ein Foto zu machen und mit dem Hashtag #Freitagsritual zu versehen.

Es gab von Anfang an viel Zuspruch durch viele Likes und Kommentare. Auch im Offlineleben wurde ich immer wieder Freitags auf unser Ritual angesprochen und wie schön es ist.

Und heute, werde ich zum letzten Mal dieses Ritual öffentlich zelebrieren.

Die letzten Monate fing es an, dass es sich nicht mehr richtig anfühlte. Ich habe in mich gehört und überlegt, was es ist, das “unser” Ritual entzaubert hat. Die Antwort, die ich gefunden habe: Unser geliebtes Zweisamkeitsritual hat sich zu einem “Mussritual” für die Selbstdarstellung in Öffentlichkeit entwickelt. Auch wenn es später wurde, oder wir eigentlich was anderes vorhatten. Es musste Freitagnachmittags noch ein Kuchen gekauft werden: Kunstvoll staffiert und fotografiert, schnell noch in Facebook gepostet und dann – auch wenn wir eigentlich keine Lust mehr auf einen späten Kuchen hatten – den Kuchen gegessen.

Seit letztem Sommer bin ich Stück für Stück dabei mein Leben aufzuräumen. Derzeit ist mein Onlineleben dran und viele Dinge im Netz, die sich in den letzten Jahren einfach so entwickelt habe, hinterfrage ich derzeit. Und so wird dieses Foto im Titel mein letztes #Freitagsritual in der Öffentlichkeit sein.

Meine Frau und ich werden das Wochenende, wenn die Zeit es zulässt, weiterhin Freitags mit einem schönen Stück Torte oder Kuchen beginnen, aber dies nicht mehr öffentlich kundtun. Vielleicht mal hin und wieder, wenn uns von Herzen danach ist – aber nicht mehr aus einem Pflichtgefühl heraus.

Niemand soll durch diese Entscheidung ein schlechtes Gewissen haben, dass er/sie uns genötigt haben könnte. Es war meine freie Entscheidung dieses private Ritual öffentlich zu machen und es ist jetzt auch meine freie Entscheidung, die Öffentlichkeit wieder auszuschließen und es wieder nur für meine Frau und mich zu genießen.

Ich weiß auch, dass viele werden das Freitagsfoto vermissen, weil es auch ein Teil ihres Rituals geworden ist. An der Stelle bitte ich alle Freitagritualfans um Verständnis für meine Entscheidung.

Aber es gibt eine Lösung: Zelebriert einfach auch Euer eigenes Freitagsritual: Kauft Euch Kuchen öffnet eine Flasche Sekt, esst eine Bratwurst, geht eine Runde spazieren … – Der Möglichkeiten gibt es viele sein Wochenende zu feiern. Und wer dabei an uns denkt, der hat den Sinn unseres Ritual verstanden.

Und wer es schafft Freitagnachmittags bei uns zu Besuch zu sein, hat jederzeit die viel schönere Möglichkeit unser Ritual (oder eine Alternative, wenn uns mal nicht nach Kuchen ist) live und nicht aus der Ferne mitzuerleben. Im Offline-Leben ist so ein Kuchen sowieso viel besser zu genießen. 🙂

Ein Gedanke zu „Vom Ende eines öffentlichen Rituals“

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