Achtsamkeit 4.0 Teil 1 – Überleben in der schönen neuen Welt

Es geht nicht darum, weniger online und mehr offline zu sein. Es geht darum, besser online und besser offline zu sein, um in Summe mehr vom Leben zu haben.

Aus dem Buch „Mail halten“ von Anitra Eggler

Finden Sie den Titel eigentlich genauso beknackt wie ich? Zwei moderne abgedroschene Phrasen auf einmal – das kann ja nichts werden. Inzwischen muss ja alles eine Versionsnummer bekommen um modern zu sein -und Achtsamkeit ist ein Thema, das auch immer populärer wird. Aber keine Angst, ich will hier keine neue App zur Achtsamkeitspflege betreiben. Vielmehr geht es darum, Wege zu finden, wie wir uns selbst in den vielen neuen fantastischen Möglichkeiten der neuen schön digitalen Welt nicht verlieren. Anders als Alois Huxley es für die Zukunft erahnte sind es nicht die Droge „Soma“, die uns das Bedürfnis zum kritischen Denken und Hinterfragen dämpft, sondern es sind die vielen Möglichkeiten, die uns die neuen digitalen Medien nehmen.

Seit dem Ende der 80er Jahre bewege ich mich als einer der wenigen Netzpioniere, in den Weiten der elektronischen Netzwerke. Damals ahnte kaum jemand, welche gesellschaftliche Revolution, auf den Bildschirmen in den Büros von Bildungsinstitutionen und in diversen privaten Jugend- und Arbeitszimmern sich anbahnte. Kam es damals in meinem Umfeld seltsam vor, dass man sich, scheinbar stundenlang alleine vor dem Computer sitzend, mit Menschen aus der ganzen Welt austauschte, ist es heute eine normale Alltagstätigkeit geworden.

Es ist nicht meine Zielsetzung ins alte rein analoge Leben zu kommen, dafür bieten die neuen Werkzeuge und Medien viel zu viele Möglichkeiten, die vor wenigen Jahrzehnten noch pure Science-Fiction waren. Unsere Gesellschaft ändert sich durch den digitalen Wandel. Dagegen anzukämpfen wäre sinnlos, da diese stetige Wandlung ein natürlicher soziologischer Prozess ist. Gesellschaften waren schon immer im Umbruch und werden es auch zukünftig sein.

Im Laufe unserer Evolution, haben die Werkzeuge, die wir verwenden einen direkten Einfluss auf unsere Denkvorgänge. Vor ca. 2,4 Millionen Jahren hat die Erfindung der ersten einfachen Handwerkzeuge direkte Auswirkungen auf das Gehirn unserer Vorfahren gehabt. Dies konnte in Experimenten bei Tieren wie Papageien und Affen nachgewiesen werden, die ebenfalls den Gebrauch von Werkzeugen erlenen können.  Einen direkten Einfluss auf unsere Kulturen und die dazugehörigen Denkweisen, gab es ca. 8000 Jahren durch die Erfindung der Schrift und später im 15. Jahrhundert der Buchdruck unser Denken im wahrsten Sinne des Wortes revolutionär beeinflusst.

So ist aus meiner Sicht auch der sogenannte Digitale Wandel als evolutionärer Schrittmacher zu begreifen. Das Problem unserer Generation ist, dass wir auf der Schwelle der Entwicklung stehen. Eine Wertung ob dies gut oder schlecht ist, hilft uns bei dieser Entwicklung nicht weiter. Aber es wäre schade, wenn wir uns selbst im Umgang mit den neuen Medien und Werkzeuge verlieren.

Nicht umsonst gibt es zu unserer schnelllebigen Zeit ein immer größeres Bedürfnis nach Ruhepolen. Während die Informationsflut um uns herum immer schneller und größer wird, wächst gleichzeitig der Boom um Spiritualität, innere Ruhe und Achtsamkeit.

Und hier schlagen wir den Bogen zwischen dem Schlagwort 4.0 als Sinnbild für den digitalen Wandel und dem Schlagwort Achtsamkeit. Wie schaffen wir es mit den neuen Möglichkeiten Achtsam umzugehen um unsere eigene Mitte nicht zu verlieren, die wir benötigen.

Ich will ihnen mit dieser Artikelserie neben einigen Hintergrundinformationen auch ein gewisses Maß an Eigenreflektion auch einige Handreichungen geben in dieser neuen Welt, dem „Neuland“, Achtsam mit sich selbst zu sein.

Ertappt?

Zunächst einmal sollten Sie sich selbst einmal beobachten: Was geschieht da eigentlich mit mir? Anbei ein paar Thesen zum Nachdenken darüber wie uns die neuen Möglichkeiten verändert haben.

  • Früher habe ich viel und lange gelesen. Heute kann ich das nicht mehr. Mir fehlt die Konzentration dafür. Es reicht gerade für die Überschrift und ein schnelles Überfliegen.
  • Es fällt mir schwer, 24 Stunden offline zu sein.
  • Wenn ich fernsehe, habe ich parallel dazu mein Smartphone in der Hand.
  • Ich unterbreche meine Tätigkeiten um immer wieder um auf mein Smartphone zu schauen oder schnell mal im Internet zu surfen.
  • Wenn ich Leerlauf haben (Warten auf die Bahn, Wartezimmer, Langeweile), greife ich ohne nachzudenken zum Smartphone
  • Mit Facebook/Instagram/WhatsApp/Snapchat beginnt und endet mein Tag
  • Wenn mein Smartphone-Akku unter 40% fällt werde ich nervös
  • Ich kann ab und an nachts nicht schlafen, weil mich ein Beitrag in einem sozialen Medium/in einem Forum derart aufgeregt hat, dass mir es keine Ruhe gelassen hat
  • Ich greife immer wieder unbewusst zu meinem Smartphone um kurz drauf zuschauen.
  • Ich unterbreche meine aktuelle Tätigkeit sobald mein Smartphone oder Computer einen Signalton von sich gibt.
  • Wenn ich etwas esse, einen Sonnenuntergang, eine schöne Landschaft sehe, dann fotografiere ich es um es gleich zu posten.
  • Ich lebe im Netz einen digitalen Doppelgänger, der mit meinen wirklichen Leben nicht viel zu tun hat.

Sie haben sich teilweise wiedererkannt? Dann lade ich Sie herzlich ein die nächsten Beiträge dieser Serie zu verfolgen.

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